Dem Gebäudepass droht die Bedeutungslosigkeit Energieexperten fordern bedarfsorientierten Energiepass Wirtschafts- und Bauministerium haben sich auf einen verbrauchsabhängigen Energiepass für Gebäude verständigt. Ein solches Zertifikat wäre jedoch wenig aussagekräftig. VON BERNWARD JANZING Die Ankündigung der Bundesministerien für Wirtschaft und Bau ist eine politische 180-Grad-Wende. Die rot-grüne Bundesregierung hatte den Energiepass noch als Instrument verstanden, um die energetische Qualität aller Wohngebäude künftig objektiv zu erfassen. So sollten alle Immobilien aufgrund ihrer Bauqualität und ihres Heizungssystems in Effizienzklassen (etwa von A bis G) eingeteilt werden - so, wie man es von Kühlschränken kennt. Jeder Kauf- oder Mietinteressent hätte durch einen Blick auf den Energiepass sofort erkennen können, wie es um den Energiebedarf der betreffenden Immobilie bestellt ist. Doch das ist nun offensichtlich nicht mehr gewollt. Künftig soll es wahlweise auch verbrauchsabhängige Energiepässe geben. Jeder Hausbesitzer könnte sich aussuchen, welche Art von Pass er sich zulegt - womit das Zertifikat viel von seiner Aussagekraft verliert. Denn der verbrauchsabhängige Pass ist ziemlich wertlos: Er bewertet nicht die objektive Qualität des Gebäudes, sondern den realen Energieverbrauch. Da aber kein Wohnungsinteressent die Heizgewohnheiten des vorherigen Bewohners kennt, lassen sich daraus kaum Rückschlüsse auf die Gebäudequalität ziehen. Entsprechend fordern Energieexperten, etwa von der Deutsche Energie-Agentur (Dena), den bedarfsorientierten Pass, der objektiv Bausubstanz und Heizungstechnik bewertet. Nur bei größeren Wohnblocks galt bisher eine Orientierung am tatsächlich gemessenen Verbrauch als sinnvoll. Dahinter stand die Überlegung, dass sich ab einer bestimmten Anzahl von Wohnungen die individuellen Verbrauchsgewohnheiten der Bewohner ausmitteln. Hier wäre der faktische Verbrauch ein ausreichender Maßstab für die Qualität des Gebäudes. Doch für Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) und Bauminister Wolfgang Tiefensee (SPD) brächte dieses Konzept offensichtlich zu viel der Transparenz - und so knickten die beiden Ressortleiter nun vor Teilen der Wohnungswirtschaft ein. Denn ein Pass, der mit objektiv ermittelten Verbrauchsklassen hohe Markttransparenz schafft, würde am Wohnungsmarkt zwangsläufig - und das war bisher durchaus vom Gesetzgeber so gewollt - zu einer Neubewertung aller Immobilien führen: Wer schlecht gedämmte Wohnungen vermieten oder verkaufen will, müsste mit Preisabschlägen rechnen. Energetisch hochwertige Bauten würden im Marktwert steigen. Die EU hat in der europäischen Gebäuderichtlinie festgelegt, dass für Wohngebäude künftig ein Energiepass nötig wird, der die Immobilien energetisch bewertet. Den Mitgliedsländern wurde aber überlassen, nach welchen Kriterien der Pass erstellt wird - und damit auch, wie aussagekräftig er sein wird. In Deutschland wird die Rechtsgrundlage für den Energiepass durch eine Novelle der Energieeinsparverordnung geschaffen. janz Doch wie so oft haben in der Wohnungswirtschaft zuletzt jene lauter geschrien, die den Pass ablehnen. Für alle anderen ruhen nun die Hoffnungen auf dem Bundesumweltministerium, dessen Stellungnahme noch aussteht. Und auch der Bundesrat muss dem Pass noch zustimmen. So wird die Verordnung wohl erst 2007 in Kraft treten können. Sie kommt damit später, als es die EU verlangt: Nach der europäischen Gebäuderichtlinie müsste der Gebäudepass schon seit dem 4. Januar 2006 eingeführt sein. ------------------------------- KOMMENTAR: Aberwitzig VON BERNWARD JANZING Stellen Sie sich vor, Sie wollen einen Gebrauchtwagen kaufen. Auf die Frage, was er an Sprit schluckt, antwortet der Verkäufer: Volltanken alle sechs Wochen reicht. Stellen Sie sich nun vor, Sie wollen eine Wohnung oder ein Haus kaufen. Auf die Frage, wie energieeffizient die Immobilie ist, bekommen Sie nur die Heizkostenabrechnung vorgelegt. Die Aussagekraft ist ähnlich dürftig. Denn Sie wissen nicht, ob der frühere Bewohner es im Schlafzimmer mollig warm mochte. Oder, ob er vielleicht häufig unterwegs war - und wenig Energie zum Heizen verbrauchte. Wer den eigenen Bedarf abschätzen will, kann mit den Abrechnungen früherer Nutzer nichts anfangen. Genau dieses Defizit sollte der Gebäudepass beseitigen - mit einer objektiven Bewertung der Immobilie. Unabhängig von den Verbrauchsgewohnheiten der Nutzer sollte der Pass ausweisen, ob ein Haus sparsam - oder aber im Hinblick auf den Energiebedarf eine Schrottimmobilie ist. Doch diese Transparenz wollen die Minister Glos und Tiefensee plötzlich verhindern. Weiterhin soll es ausreichen, wenn Verkäufer den Interessenten nur die früheren Verbrauchsdaten präsentieren. Der Käufer soll also auch in Zukunft die Katze im Sack erwerben - eine aberwitzige Idee. Absurd auch deswegen, weil man bei Waschmaschinen und Kühlgeräten mit dem Energielabel beste Erfahrungen macht: Eine Auszeichnung mit Klasse A oder gar A+ und A++ ist seit Jahren ein gutes Verkaufsargument. Ein solches hat auch der Immobilienmarkt verdient. Zumal es wenige Gesetze gibt, die auf so unkomplizierte Weise so viel Energie einsparen können: Weil eine bessere Effizienzklasse den Wert von Wohngebäuden spürbar erhöht, dürfte ein aussagekräftiges Label zu mancher Wärmedämmung motivieren. Dass nun nicht jeder Immobilienbesitzer erfreut ist, wenn er künftig darlegen muss, was sein Haus an Energie schluckt, liegt auf der Hand. Aber darauf darf die Politik - Lobbygeschrei der Besitzer von verschwenderischen Altbauten zum Trotz - keine Rücksicht nehmen. Es geht schließlich um ein wichtiges Projekt: um drastische Energieeinsparungen im Gebäudebestand. Das Umweltministerium muss das Gesetz zurück aufs richtige Gleis setzen. |